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Turn-Pate Philipp Herder besucht erneut Wettkämpfe des Frühjahrsfinales

Die Paten-Rolle bei Jugend trainiert für Olympia & Paralympics, die er 2023 erstmals ausgefüllt hatte, scheint ihm gefallen zu haben. Denn zum einen hat sich Philipp Herder bereiterklärt, längerfristig als „Jugend trainiert“-Pate in der Sportart Gerätturnen zur Verfügung zu stehen. Zum anderen wird er – wie schon im letzten Jahr – auch 2024 die Turnwettbewerbe im Rahmen des Frühjahrsfinales in Berlin besuchen. Das Bundesfinale in neun Sportarten findet vom 23. bis 27. April in der Hauptstadt statt, geturnt wird am 24. und 25. April in der Sporthalle Schöneberg. Wir stellen euch den Olympia-Turner und dreimaligen Deutschen Meister vor.

Von Kai Gemeinder

Der Schulsportwettbewerb stellt aus Philipp Herders Sicht eine „tolle Möglichkeit“ dar, „den Turnsport populärer zu machen.“ Die Schulwettkämpfe gäben außerdem Schülerinnen und Schülern die Chance, ihre Freude am Turnen in Wettkämpfen zu zeigen und ihre Leistungen mit anderen zu messen. Zudem hoffe er, dass durch „Jugend trainiert“ das Turnen in den Schulen mehr gefördert werde.

Als Philipp Herder, Jahrgang 1992, selbst Schüler im passenden „Jugend trainiert“-Alter war, führte nur das Mädchenturnen bis zum Bundesfinale. Das änderte sich erst 2010, als das Jungenturnen nach längerer Pause wieder ins Programm des Wettbewerbs mit aufgenommen wurde. Dennoch kam der gebürtige Berliner über die Schule zu der Sportart, die sein Leben nachhaltig verändern sollte. Als Erstklässler wurde er an der Wilhelm-Busch-Grundschule Marzahn als Bewegungstalent gesichtet und zu einem Schnuppertraining eingeladen. „Das hat mir einen Riesenspaß gemacht. Ich hab meinen Eltern gesagt, ich würde das gerne öfter machen. So fing alles an.“ Am Ende des zweiten Schuljahres gab es eine Kaderüberprüfung, bei der Philipp Herder berlinweit Zweiter wurde. Zur dritten Klasse wechselte er an eine Berliner Sportschule und trainierte fortan zweimal täglich. 7:30 Uhr Training, dann Schule, danach wieder Training. Seitdem ist Philipp Herder Leistungsturner.

Ums Gewinnen geht es ihm dabei nicht in erster Linie. Die Faszination Turnen besteht für ihn darin, Bewegungen zu beherrschen, „die andere nicht mal im Traum schaffen“. Fliegen am Reck, Kraftteile halten an den Ringen, immer wieder neue Elemente erlernen und damit kleine Erfolge erzielen. Die vielen verschiedenen Übungen und der Bewegungsumfang machen das Turnen für ihn aus. Sein dazu passender Ratschlag an alle Nachwuchskräfte lautet: „Versucht immer Spaß an der Sache zu haben. Und wenn es mal nicht so gut läuft, erinnert euch daran, warum ihr mit dem Sport mal angefangen habt.“

Im Fall von Philipp Herder kam mit dem Spaß auch der Erfolg. Zwischen 2014 und 2019 nahm der Berliner an fünf Welt- und zwei Europameisterschaften teil. 2021 belegte er bei den Olympischen Spielen in Tokio mit dem Team Rang acht und qualifizierte sich fürs Mehrkampffinale der 24 besten Einzelturner. Auf nationaler Ebene feierte er drei Titel bei Deutschen Meisterschaften: 2017 am Boden, 2018 und 2022 am Barren, seinem Lieblingsgerät.

Das Karriereende des Philipp Herder

Als ich vergangene Woche gegen 12 Uhr mittags mit Philipp Herder telefoniere, erwische ich ihn an dem Ort, an dem er mehr Zeit verbracht hat als irgendwo sonst: in der Turnhalle. Gerade steht er in der Umkleidekabine und bereitet sich aufs Training vor. Und das, obwohl der inzwischen 31-Jährige schon im Oktober 2022 auf Instagram verkündet hatte, dass er seine „leistungssportlich aktive Karriere“ zum Jahresende beenden würde. Auf Nachfrage bestätigt er: „Ja, die aktive Karriere ist vorbei.“ Was er meint: Als er sich 2021 in Tokio den Traum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen erfüllen konnte, reifte in ihm der Entschluss, seine internationale Karriere zu beenden.

„Für mich war es ganz klar das Allergrößte und mein wichtigster Erfolg, bei Olympia dabei zu sein“, sagt er. Nachdem er 2016 in Rio de Janeiro als Ersatzmann noch ohne Einsatz geblieben war, erhielt er diesmal im internen Vergleich ganz knapp den Vorzug vor Nick Klessing. Das in ihn gesetzte Vertrauen zahlte Herder in Tokio mit einer Topleistung zurück. Mit seinem starken Auftritt in der Qualifikation hatte der Turner einen entscheidenden Anteil daran, dass die deutschen Männer das olympische Finale der besten acht Teams erreichten. „Es war eine große Genugtuung, zeigen zu können, dass der Bundestrainer die richtige Entscheidung getroffen hatte. Zumal ich wusste, nach den Spielen wird nicht mehr viel kommen, es wird mein letzter großer, internationaler Wettkampf sein. Und dann wurde es, glaube ich, der beste meiner Karriere.“

Jetzt turne er nur noch zum Spaß und, um sich fit zu halten. Dass dieses „sich fit halten“ nach wie vor auf höchstem Niveau stattfindet, erwähnt er nicht. Im Jahr eins nach der „aktiven Karriere“ gewann der Physik-Student im Mai 2023 den Mehrkampftitel bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften und absolvierte anschließend eine weitere Bundesligasaison beim TuS Vinnhorst. Und auch 2024 plant er, für den Verein aus Hannover wieder an die Geräte zu gehen. Ich frage mich, ob ein Fußballprofi, der aus der Nationalmannschaft zurücktritt, aber weiter für seinen Bundesligaverein auf Punktejagd geht, davon sprechen würde, er habe seine aktive Karriere beendet. Ich glaube eher nicht. Aber im Turnen und für Philipp Herder scheint das kein Widerspruch zu sein. Ich werte das als Ausdruck von Bescheidenheit.

Diese Charaktereigenschaft schwingt auch bei anderen Bemerkungen mit, die Philipp Herder in unserem Gespräch äußert. Ein Beispiel: Bei seinen letzten und gleichzeitig erfolgreichsten Deutschen Meisterschaften im Jahr 2022, bei denen er mit Gold am Barren, Silber im Mehrkampf und Bronze am Pauschenpferd einen kompletten Medaillensatz gewann, habe er ein bisschen Glück gehabt. „Ich hab einen guten Wettkampf getroffen, andere haben ein bisschen verturnt“, meint er.

Dabei ist es vielmehr seinem großen Kämpferherz zu verdanken, dass der Allrounder viele Jahre fester Bestandteil und Stabilisator der deutschen Nationalmannschaft im Turnen war und im Einzel elf Medaillen auf nationaler Ebene gewinnen konnte. Denn 2010 schien die Karriere nach einem Sturz und einer Verletzung der Halswirbelsäule mit anschließender OP und Versteifung einer Bandscheibe schon am Ende, ehe sie richtig begonnen hatte. Doch Herder kämpfte sich zurück. Im Vorfeld der Heim-Weltmeisterschaften 2019 verletzte sich Herder erneut an der Halswirbelsäule, brachte sich aber rechtzeitig vor dem WM-Start wieder in Form. „Rückschläge hat jeder im Sportlerleben. Aber man darf sich von ihnen nicht unterkriegen lassen“, sagt er. Natürlich muss der Körper das auch zulassen. Bisher ist das bei Philipp Herder der Fall. Deshalb zieht es ihn immer noch regelmäßig in die Turnhalle – obwohl die aktive Karriere nach eigener Definition seit anderthalb Jahren beendet ist. Aber ums Gewinnen geht es ihm ja ohnehin nicht, sondern um das „fantastische Gefühl“, wenn spektakuläre Übungen gelingen, „die andere nicht mal im Traum schaffen“.

Philipp Herder beim Frühjahrsfinale 2023 in der Sporthalle Schöneberg.

Auch 2024 wird Philipp Herder als Pate die Turnwettbewerbe des Frühjahrsfinales besuchen...

...und für Autogramme...

...und Fotos zur Verfügung stehen. © alle Bilder: DSSS/sampics

2021 durfte Philipp Herder endlich auch unter den Olympischen Ringen die Muskeln spielen lassen. © Philipp Herder / Instagram

Die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio bezeichnet Philipp Herder als den größten Erfolg seiner Karriere. © Philipp Herder / Instagram

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